Als James Cook Ende des 18. Jahrhunderts die Südsee bereiste, hatte er den Naturforscher Georg Forster in seiner Begleitung. Er war der erste, der uns die Existenz und Bedeutung des Wortes "tabu" übermittelte. Forster lernte dieses Wort auf Tonga kennen und übersetzte es mit „Gebot, zu meiden“. Wenn etwas nicht gesagt, getan oder gegessen werden durfte, dann sagten die Bewohner Tongas „das ist tabu“. Aber auch wenn das Wort Tabu erst von Entdeckern vom anderen Ende der Welt mitgebracht werden musste, Tabus selber gab es schon immer auch bei uns – und es gibt sie noch. Sie waren die ältesten ungeschriebenen Gesetze der Menschheitsgeschichte und bestehen bis heute fort. Keine Gesellschaft, keine Gruppe, die sie nicht stillschweigend praktiziert: unausgesprochen, unhinterfragt. Große Tabus in unserer Gesellschaft sind religiöse Verbote, wie Gotteslästerungen oder zum Beispiel schlecht zu reden über Verstorbene oder Benachteiligte.Kennen Sie weitere Tabus?
Das Zusammenleben in unserer Gesellschaft wird bestimmt von überwiegend unbewusst getroffenen Übereinkünften (sogenannte Gruppenverträge, die auch unsere Kultur definieren) . Diese beinhalten ungeschriebene Gesetze, Regeln und Tabus , die wir nicht benennen können und denen wir uns erst bewusst werden, wenn wir auf Menschen treffen, die andere Gruppenverträge, eine andere Kultur leben. Dass die Engländer an Bushaltestellen Schlange stehen, um in den Bus zu steigen, weil Vordrängeln ein absolutes Tabu ist, kommt den Deutschen, die doch gern auf der Überholspur fahren, schon sehr merkwürdig vor.
Im Allgemeinen sind es unsere Ängste, die Tabus gebären. Ängste, eine Grenze überschreiten, die eigentlich zu respektieren wäre, wollte man sich oder die Gemeinschaft nicht in Gefahr bringen. Die entsprechende Handlung wird zum Tabu erklärt. Tabus geben ein gemeinsames Wertesystem und machen das Selbstverständnis einfach, sie bieten magischen Schutz gegen jeglichen Einbruch in die bestehende und uns erhaltende Ordnung.
Eine Organisation oder Unternehmen ist auch eine Gruppierung mit einer eigenen Kultur, die durchaus von der Länderkultur abweichen kann, aber sicherlich von ihr beeinflusst wird. Die Kultur und Werte des Unternehmens sind das organisatorische Regelwerk, das regelt, wie wir im beruflichen Alltag miteinander umgehen wollen und sollen und welches Verhalten strikt zu unterlassen, d.h. tabu ist. Wobei die offiziellen Unternehmenswerte oft die Ideale der Mitarbeiter und Führungsmannschaft wiedergibt, sie sozusagen ein Sehnsuchtsort sind, während die gelebte Kultur eine ganz andere sein kann. Diese Diskrepanz wird dann von vielen Mitarbeitern heimlich kritisiert, aber niemals offen ausgesprochen. Natürlich! Weil diese Kritik ja ein Tabu ist!
In Organisationen ist eines der häufigsten Tabus die offene Kritik am eigenen Chef.
(Was dazu führt, dass wir ihn hinter vorgehaltener Hand kritisieren).
Teams, als kleinste organisatorische Einheit der Unternehmensgruppe, können eigene Gruppenverträge entwickeln, die zusätzliche oder sogar gegensätzliche (deren Folgen wiederum schwelende Konflikte sein können) Werte, Regeln und Tabus enthalten können. Da gibt es das besonders harmonische Team, für das Konflikte tabu sind, oder die leistungsorientierten Teams, für die oftmals das Eingeständnis von Schwächen tabu ist. In jedem Team wird die Zusammenarbeit von vielen unsichtbaren und teils unreflektierten Regularien, Erwartungen und Vorstellungen geregelt.
Der unsichtbare Gruppenvertrag, den ein Team unbewusst schließt und im Teamcoaching heraus gearbeitet wird, könnte folgendermaßen aussehen:
Tabuthemen in diesem Team
Die Kehrseite
Tabus tendieren dazu, das bestehende Machtgefüge zu stabilisieren und machen uns resistent gegen Veränderungen. Ein Team, dessen Überzeugungen zu starr sind, kann sich nicht weiterentwickeln. Deshalb können nicht thematisierte Tabus die Weiterentwicklung von Teams, im Berufalltag aber auch im Teamcoaching be- oder gar verhindern. Manche Tabus schützen vor schlimmen Folgen, bei anderen lohnt es sich, über Tabubrüche nachzudenken. Auf jeden Fall lohnt es sich für Teams immer, die Tabus zu finden und zu benennen, um eine Entscheidung für oder gegen sie fällen zu können. Das stärkt nicht nur die Weiterentwicklung sondern auch die Eigenverantwortlichkeit des Teams.
Tabus können bei extremer Verherrlichung sogar zu teamhemmenden Verhalten führen, in starker Ausprägung sogar zu Mobbing. Wenn ein Gruppenmitglied das nicht benannte Wertesystem missachtet, können er oder sie als nicht zur Gruppe passend definiert werden. Da kann schnell ein Feindbild entstehen und Teammitglieder ausgegrenzt werden. Im systemischen Kontext des Teamentwicklers ist der Fachbegriff hierfür der "Index Patient". Der Index Patient wird von der Gruppe unbewußt ausgesucht, damit sie sich nicht mit den eigenen Schwierigkeiten auseinandersetzen zu müssen. Der Index Patient vereint die Konflikte und Interaktionsmuster der Gruppe, er nimmt die Störungen des Teams auf sich, bei gleichzeitiger Zuschreibung durch die Gruppenmitglieder (Projektion). Wenn hier nicht entschieden interveniert wird, kann dies zu einem sich verstärkenden Kreislauf führen, der bis zum Mobbing führt.
Die Aufgabe des Teamencoach ist es deshalb diese Tabus gemeinsam mit dem Team zu heben und das, ohne dem Team dabei zu Nahe zu treten. Eine Gradwanderung, weil Tabus eben tabu sind. Eine mögliche Intervention ist hierbei das Spiegeln d.h. das faktische Aufzeigen des Verhaltens, ohne Bevormundung bzw. Verurteilung dieser, um die Tabus so ins Bewusstsein zu setzen. Die Entscheidung ob die Tabus hilfreich und tabu bleiben sollen oder gebrochen werden sollen, obliegt dann dem Team. Dies stärkt die Eigenverantwortung und unterstützt beim respektvollen Umgang mit dem Team.
Wenn die Teilnehmer eines Teamentwicklung die schwelenden Konflikte zunächst nicht besprechen möchten, weil sie ja tabu sind, kann eine kraftvolle Intervention helfen:
In einer geheimen Abfrage bei der Teamentwicklung werden die Tabus von dem Teammitgliedern beschrieben und werden aus der Schweigezone herausgeholt, indem sie von allen Teilnehmern laut ausgesprochen werden. Ohne dass der Urheber benannt wird. Danach bietet der Teamentwickler der Gruppe an, die Tabus unaufgearbeitet wieder in die Schweigezone zurück zu geben, damit sie weiter ihre Wirkung auf die Gruppe entfalten können. Das führt zu Unruhe und weckt plötzlich ein Bewusstsein und die Bereitschaft dafür, die Tabus sortieren und zu besprechen: plötzlich ist die Energie dafür da, die Themen anzupacken, im Raum vorhanden.
Möchten Sie Ihr Team coachen und weiterentwickeln, empfehlen wir unsere Teamtrainings und Teamentwicklungen. Gern beantorten wir auch ihre Fragen. Kontaktieren Sie uns: eileen.schaefer@dramatobuiness.de oder per Telefon: 089-74030481.
Mehr zum Thema „Tabus in Teams“:
Thomas Saller: „Tabu – versteckte Regeln und ungeschriebene Gesetze in Organisationen“
https://de.wikipedia.org/wiki/Tabu
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Als James Cook Ende des 18. Jahrhunderts die Südsee bereiste, hatte er den Naturforscher Georg Forster in seiner Begleitung. Er war der erste, der uns die Existenz und Bedeutung des Wortes tabu übermittelte. Forster lernte dieses Wort auf Tonga kennen und übersetzte es mit „Gebot, zu meiden“: wenn etwas nicht gesagt, getan oder gegessen werden durfte, dann sagten die Bewohner Tongas „das ist tabu“.
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